Am „Altar der Friesischen Freiheit“, wie Ubbo Emmius den Upstalsboom in Aurich-Rahe betitelte, trafen sich im frühen Mittelalter die freien Friesen der sogenannten Sieben Seelande. Vom Land Wursten bis aus Westfriesland kamen sie herbei, um hier Gesetze zu erlassen und Recht zu sprechen. Die Friesische Freiheit war außergewöhnlich und einmalig in Europa. Einige bezeichnen sie sogar als Vorläufer unserer heutigen Demokratie. Heute sind die Friesen als Nationale Minderheit europaweit anerkannt, wobei ihre Seele seither am Upstalsboom fest verankert ist. So identifizieren sich noch heute die Menschen dieser Region mit dem frühmittelalterlichen Grabhügel und der Versammlungsstätte als Zeichen der regionalen Verbundenheit.

Hier entstand auch vor ca. 1.000 Jahren eine der ältesten Wallheckenlandschaften. Mit dem Urbarmachungsedikt von 1765 kamen sehr viele Wallhecken hinzu, von denen bis heute noch fast 90 Prozent, oft sogar im Originalzustand erhalten sind. Viele Wälle stehen nur 25 -30 m auseinander und umgrenzen Flächen von weniger als 0,5 ha. Es ist unbestritten die dichteste Wallheckenlandschaft Deutschlands. Durch viele Naturschutzmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten kamen zahlreiche naturnahe Gewässer und Streuobstwiesen hinzu. Das dichte Wallheckennetz mit den uralten Eichen hat sich so zudem zu einer ökologisch besonders wertvollen Landschaft entwickelt.

Bereits 2013 gab es deshalb eine erste Initiative der örtlichen Umweltverbände, den bundesweit einmaligen Upstalsboom mit seiner außergewöhnlichen Wallheckenlandschaft, zum ersten Nationalen Naturmonument Deutschlands zu machen.

Nationale Naturmonumente werden von den jeweiligen Bundesländern ausgewiesen. Die Landschaft am Upstalsboom wurde bereits als eine der bedeutendsten historischen Kulturlandschaften Niedersachsens bestätigt (Wiegand 2019 in „Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen“, Heft 49). Im Entwurf des aktuellen Niedersächsischen Landschaftsprogramms ist sie als solche verzeichnet und als besonders schutzwürdig eingestuft.

BILaNz Aurich wird in Zusammenarbeit mit den örtlichen Umweltverbänden die weiteren Schritte zum „Nationalen Naturmonument“ vorbereiten und kann dabei auf die Unterstützung des Niedersächsischen Umweltministeriums bauen.


Wallhecken und Upstalsboom

Ein „Upstall“ ist ein eingezäuntes Gebiet und die Bezeichnung „Boom“ gleich Baum könnte auch einen Schlagbaum oder (Anbinde-)Pfahl gemeint haben. Der Begriff Upstalsboom deutet so auf einen Weideplatz der früheren Allmenden (Dorfweiden) hin. Bereits im 11. Jahrhundert wurde der Roggenanbau am Upstalsboom nachgewiesen. Grabungshinweise deuten bereits auf eine bäuerliche Besiedlung im 8. Jahrhundert. Diese ältesten Ackerflächen (Gasten) wurden mit einer ringförmigen Wallhecke gegen das frei umherlaufende Vieh geschützt. Die Äcker wurden gedüngt mit Heideplaggen, die mit Viehmist vermischt wurden. Hieraus entstanden über Jahrhunderte die stark erhöhten Plaggeneschböden. Später angelegte weitere Ackerflächen wurden Kampe oder Kampacker genannt. Auch sie wurden eingewallt und sind meistens mehrere hundert Jahre alt.

Friedrich der Große erließ 1765 das Urbarmachungsedikt, um die Allmenden aufzuteilen. Jedes Flurstück musste eingewallt und mit Eichen bepflanzt werden. Die Eichen sollten im baumarmen Ostfriesland den Holzreichtum mehren. Gab es viele arme Bauern, so wurden sehr kleine Parzellen abgegrenzt. Am Roten Weg z.B. liegen die Wallhecken nur 15 – 20 m auseinander. Da es nie eine Flurbereinigung gab, existiert hier heute das dichteste Wallheckennetz Deutschlands. Die ca. 50 km Wallhecken weisen eine Dichte von etwa 110 m pro ha auf. Wallhecken sind seit 1933 gesetzlich geschützt.

Wallhecken zeichnen sich zum einen durch ihr hohes Alter aus. Neben den überwiegend über hundert Jahre alten Eichen konnte sich auch die Vegetation hier weitgehend unbeeinflusst entwickeln. Wallhecken sind ökologisch gesehen wie ein doppelter Waldrand zu betrachten. Sie enthalten unterschiedliche Bereiche wie sonnig und schattig, feucht und trocken, nährstoffreich und nährstoffarm. Zusammen mit der vielfältigen Vegetation auf den unterschiedlichen Standorten und den alten Gehölzen lebt auch eine große Anzahl von Tieren auf den Wallhecken bzw. in der Wallheckenlandschaft. Diese große Vielfalt macht insgesamt den besonders hohen Naturschutzwert der Wallhecken aus.

Christian Wiegand hat zusammen mit Experten aus den Naturschutzbehörden und Heimatkundlern im Auftrag des Landes Niedersachsen die verschiedenen historischen Kulturlandschaften Niedersachsens eingehend untersucht und bewertet. In dem Bericht „Kulturlandschaftsräume und historische Kulturlandschaften landesweiter Bedeutung in Niedersachsen“ (WIEGAND 2019, in „Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen“, Heft 49) wird die „Wallheckenlandschaft Upstalsboom“ als eine der landesweit bedeutenden historischen Kulturlandschaften aufgeführt. Diese Bewertung wurde inzwischen auch in das Niedersächsische Landschaftsprogramm aufgenommen.